Freitag, 7. Februar 2014

Halbzeit


Genau genommen ist die Halbzeit schon vorbei. Gestern war der Tag, an dem meine vergangenen Tage auf Island genau so viele waren, wie die noch bevorstehenden. Heute ist es schon ein Tag weniger.

Irgendwie ein ziemlich komisches Gefühl. Auf der einen Seite ist es noch eine lange Zeit hier, aber die erste Hälfte ging im Nachhinein betrachtet doch echt schnell vorbei, auch wenn es sich nicht immer so angefühlt hat.
Auf der anderen Seite ist es aber auch erschreckend wenig Zeit noch. Es gibt noch so viel was ich vorhabe und irgendwie ist schon ganz schön viel Zeit verplant, so ein Jahr geht doch schnell vorbei.
Ich merke jetzt auch, dass ich die Zeit hier echt genießen muss, da es nicht mehr viel ist.

Dennoch freue ich mich auch riesig, wenn die zweite Hälfte vorbei ist. Ich fühle mich hier zwar super wohl, aber zu Hause ist es doch am schönsten und ich freue mich schon auf all die Dinge, wenn ich wieder zu Hause bin. Grillen, Zug fahren, Sommer, Zeltlager, zu Hause sein, feiern, Schnitzel, Brötchen, einfach mal wieder Kind sein, ....!
Es ist nicht so, dass ich denke so ein Auslandsaufenthalt würde ich nicht noch einmal machen und ich zähle die Tage, bis ich endlich wieder daheim bin. Aber ich habe schon gemerkt, welche Dinge/Personen zu Hause mir sehr wichtig sind, was ich vorher nicht so gewusst/geschätzt habe.
Ich weiss, nach so langer Zeit möchte ich gerne wieder nach Hause kommen, aber wie ich mich kenne, schätze ich auch, wenn ich einige Zeit zu Hause gewesen bin, alles, was ich vermisst habe, wieder einmal gemacht habe, bin ich auch wieder bereit, für was Neues.
Auswandern wäre nichts für mich, aber ab und zu mal längere Zeit woanders leben/arbeiten kann ich mir durchaus vorstellen.
Allerdings ist es echt gut und hilft gegen Heimweh, wenn man genau weiss, man kommt wieder zurück und sieht alle wieder. Man hat in dem Moment etwas, an das man sich hochziehen kann. Ich sage mir dann immer, am 20.Juli ist es soweit, da hast du das, was du dir momentan am meisten wünschst. Also bis dahin durchhalten. Dann zähle ich auch manchmal die Wochen und in dem Moment fällt mir auch wieder auf, oh Gott, es sind schon wieder weniger geworden und mich überkommt ein kleiner Anfall von Panik, dass die Zeit nur noch so kurz ist. Und schwupp wandelt sich das Heimweh in Panik und Zeitnot :D
Natürlich hilft mir bei Heimweh auch einfach die Familie. Die, die mich sehr gut kennen, wissen, dass ich nicht so gerne meine Gefühle zeige und auch nicht unbedingt vor "Fremden" in Tränen ausbrechen würde. Von daher ziehe ich mich dann zwar ab und zu in mein Zimmer zurück, aber wenn wir dann zur Oma, Tante oder irgendwohin fahren, reiss ich mich zusammen und danach ist es auch wieder verschwunden. Auch das Abendessen kann manchmal schon helfen, dann atme ich tief ein und setz mich an den Tisch und niemand merkt, was in mir vorgeht. Dann sehe ich die Familie und merke, dass ich ein Teil davon bin und schwupp sind alle negativen Gedanken auch wieder verschwunden.
Es ist psycholgisch vielleicht nicht das Beste, die Gefühle so runterzuschlucken, aber so bin ich und bis jetzt bin ich damit ganz gut durchs Leben gekommen. Ausserdem zeige ich ja auch wenn ich Heimweh habe, aber eben nur bestimmten Personen.
Ich denke jeder muss da sein eigenes Rezept finden und das ist meins. Ich merke daran aber auch, dass es für mich wichtig ist, dass ich mich geborgen fühle und irgendwie eine Familie/Menschen brauche. Das ist mir hier sehr bewusst geworden, die Familie ist doch das Wichtigste. Die Isländer leben es einem sowieso vor, die Familie nimmt dich so wie du bist, auch meine AuPair-Familie, wenn ich einen schlechten Tag habe, ist es so und sie verstehen dann auch, dass ich vielleicht keine Lust auf wischen habe, solange ich es dann am nächsten Tag mache, ist es vollkommen in Ordnung.

Nun freue ich mich auf die zweite Hälfte und alle Dinge, die noch kommen, vor allem auf meine Besucher und das, was ich noch so über mich selbst und für mein Leben lernen werde.

"Der Gewinn eines langen Aufenthaltes außerhalb unseres Landes liegt vielleicht weniger in dem, was wir über fremde Länder erfahren, sondern in dem, was wir dabei über uns selbst lernen."
Roger Peyrefitte (*1907), frz. Schriftsteller u. Politiker


1 Kommentar:

  1. Hallo Sarah,

    ich/wir wünschen dir noch eine wunderschöne zweite Hälfte deines Aufenthaltes in Island! Ich lese hier immer wieder gerne, was du dort so erlebst und bin gespannt, was du in den nächsten Monaten noch zu berichten hast.

    Lieben Gruß
    Kerstin

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