Mittwoch, 30. Juli 2014

Erfahrungsbericht!

Mein Jahr zwischen Elfen und Vulkanen!

Es ist vorbei, nun sitze ich wieder in meinem Zimmer in Deutschland. Es ist komisch, so gewohnt, aber doch anders. Auf einmal fühle ich mich einsam in meinem Zimmer, ist es doch viermal so groß wie das Zimmer in Island. Und es ist so leise. Keine zankenden oder laut singenden Kinder, nur die Eisenbahn vor der Tür, die ich ein ganzes Jahr vermisst habe.
Als ich mich vor ca. 18 Monaten entschlossen habe, als AuPair nach Island zu gehen, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Ich wollte nicht das typische AuPair in Amerika oder Australien sein, ich wollte ein kleines Abenteuer in einem doch recht unbekannten Land erleben. Wenn es der Wunsch eines Schulabgängers ist nach England oder Australien zu gehen, wird es als große Entscheidung respektiert. Dein Mut wird gelobt und alle nicken anerkennend. Das bringt dir was, du lernst englisch und dein zukünftiger Arbeitgeber wird es auch gerne sehen. Hört man aber auf sein Herz und entscheidet sich für ein Land, dass nicht die Regel ist, stößt man auf Unverständnis. Die Frage nach dem "Warum Island?" musste ich ständig beantworten, dennoch konnten es nur die wenigsten nachvollziehen. Viele konnten das nicht nachvollziehen, oft wurde ich gefragt, was ich denn da wolle, da ist es doch nur kalt und einsam. Ausserdem, was willst du denn mit der Sprache? Das bringt dich doch gar nicht weiter. Ich denke es hat mich sehr viel weiter gebracht. Mein Englisch hat sich stark verbessert und noch dazu kann ich mich nach einem Jahr auf isländisch verständigen. Es ist eine sehr schwere Sprache, da sie sehr viel Grammatik enthält und sich seit hunderten von Jahren nicht verändert hat. Für mich war es von der Grammatik her wie Latein. Eine Qual. Aber ich habe es gemeistert und ich denke mein Gehirn war das ganze Jahr auf Hochtouren aufgrund des ständigen Wechsels von deutsch, englisch und isländisch. Ich bin froh, dass ich mich für Island entschieden habe. Ich bin gegen den Strom geschwommen, habe auf mein Herz gehört und bin über mich selbst hinaus gewachsen.
Auf mein Herz hören, dass habe ich auch schon bei der Entscheidung für meine Familie gemacht. Anfangs war ich skeptisch, eine super liebe Familie, aber sie wohnt in einer 1400 Einwohner Stadt, der Junge sitzt im Rollstuhl und der Vater ist Reiter, alles Dinge, die in meinen Träumen nicht zu der perfekten Familie für mich passten. Aber irgendwie war da was, was mich zu ihnen gezogen hat und mein Herz hat nach dem ersten Skype-Gespräch die Entscheidung getroffen. Und es war die Richtige! Ich wurde nachts von meiner Gastmutter in Reikjavik an der Bushaltestelle abgeholt, nachdem wir hin und her gesimst hatten, da ich an der falschen Bushaltestelle ausgestiegen bin und ich keine Ahnung hatte wo ich war und sie mich suchen musste. Meine erste Nacht in Reykjavík, ich war allein, es hat geregnet und es war kalt, so kalt, dass ich mir im August meine Winterjacke übergezogen habe. In dem Moment dachte ich, dass ist der Anfang vom Ende.
Die ersten Tage waren schwierig, hatte ich zuvor noch nie Erfahrungen mit einem 11 jährigen Jungen im Rollstuhl gesammelt, waren meine Berührungsängste doch sehr hoch und ich hatte es etwas unterschätzt. Er dagegen hat direkt Vertrauen in mir gefasst und wir sind am zweiten Tag schon allein in Reykjavík unterwegs gewesen. Seine offene Art hat mir geholfen, nach einigen Tagen alle Hemmungen zu verlieren und seither gab es keine Probleme.
Neben ihm gehörten auch noch zwei Mädels (8 und 4) zu der Familie. Die Große ist sehr selbstständig und ich musste mich kaum um sie kümmern, bis auf ab und zu irgendwohin fahren. Dennoch haben wir uns super verstanden, vor allem, wenn wir alleine waren, dann haben wir auf dem Bett gelegen und rumgealbert oder Musik gehört. Die Kleine Maus dagegen musste nach dem Kindergarten oft beschäftigt werden, das war anfangs gar nicht so einfach. Den ersten Monat durfte ich sie fast gar nicht angucken und wenn wir alleine waren, wurde nur geheult. Es ist zwar normal für sie und die Eltern wissen es auch und haben es mir auch gesagt, aber ich habe mich immer schlecht gefühlt. Irgendwann kam sie dann aber zu mir, hat mit mir geschmust und dann fing die Liebesgeschichte zwischen uns an. Von dem einen auf den anderen Tag war ich super. Was war ich glücklich. Es ist sogar soweit gegangen, dass sie wollte, dass ich sie morgens in den Kindergarten bringen sollte und sie geweint hat, wenn Papa sie trotzdem gefahren hat. Das fande ich dann schon kritisch, schließlich habe ich den morgen alleine verbracht und mich dementsprechend nicht schon um 8 in die Klamotten geschwungen und hatte auch nicht das Bedürfniss sie in den Kindergarten zu bringen. Sie hat es dann zum Glück verstanden.

Nach ungefähr sechs Wochen war ich am Ende. Ich hatte starkes Heimweh, ich habe mich zwar in der Familie super wohl gefühlt, aber da war dieser ständige Pferdegeruch, an den ich mich bis zum Ende nicht gewöhnen konnte, hinzu kam, dass ich so gut wie keine Leute in meinem Alter kannte und fast nichts zu tun hatte. Meine Arbeit bestand darin aufzupassen, dass das Haus nicht im Chaos versinkt, die Wäsche gemacht ist und ich von 14:30h bis 18h auf die Kinder aufpasse. Das Haus war klein, also hatte ich den ganzen Morgen nichts zu tun und auch die Abende wurden ganz schön langweilig, bei einem Sender im TV kann man nicht einmal sinnlos vorm Fernseher hängen.
Die Familie hat sich die größte Mühe gegeben und mir immer gesagt, sie sind so zufrieden mit mir, aber sie haben eben auch versucht, mir hier ein schönes Leben zu machen, indem ich so wenig arbeiten musste wie möglich. Am Wochenende hatte ich immer komplett frei, eigentlich eine schöne Sache, aber wenn man niemanden hat und nicht weiss, was man machen soll, kann zu viel Zeit ganz schön gefährlich sein. Ich wurde echt traurig und wusste, du musst jetzt was tun, bevor du das Handtuch schmeisst. Also habe ich im Internet gesucht und gefunden. Jónína und ich haben uns auf anhieb verstanden und sie ist eine sehr gute Freundin geworden. Dank ihr habe ich mich schon um einiges wohler gefühlt und mein Leben auf Island hatte wieder etwas mehr Zukunft. Ich habe mir dann noch selber in den Hintern getreten und habe mich im Fitnessstudio angemeldet, sodass ich zumindest jeden Tag aus dem Haus komme und weiß, wo ich morgens hingehen kann, ausser zum Supermarkt. Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt und auch einige Bekanntschaften machen können, sodass ich Ende Oktober das Gefühl hatte, jetzt bin ich angekommen. Es ist Alltag eingekehrt, ich hatte Leute in meinem Alter und habe mein Leben einfach genoßen.
Nach einem halben Jahr konnte ich dann auch endlich einen Sprachkurs belegen, zwar erst nur einfach indem ich hier zur Schule gegangen bin, wo die Kids isländische Texte analysieren, was eindeutig über meinem Niveau war, mich aber auch gefordert und voran gebracht hat und nach 8 Monaten dann einen Sprachkurs für blutige Anfänger, der mich dann leider total unterfordert hat, aber ich bin trotzdem hingegangen, da es immer witzig war und wir viel Spaß zusammen hatten. Dennoch ist es schon schade gewesen, dass ich nicht von Anfang an einen Sprachkurs machen konnte, sondern mir alles alleine mit Hilfer der Kids beibringen musste. Ein enormer Nachteil, wenn man nicht in Reykjavík oder Akureyri wohnt, wo immer genug Ausländer für Sprachkurse sind.

Island als Land ist super, es gibt überall was zu sehen und so viel schönes Meer :) Ich habe es genoßen ein Jahr direkt am Meer zu wohnen, traumhaft.
Der Winter kann zwar schon etwas langweilig und ermüdend sein, wenn es nur so von 12 bis 2 hell ist und man draußen vor lauter Schnee kaum voran kommt. Dafür ist der Sommer umso schöner, wenn es gar nicht mehr dunkel wird und es zumindest nicht mehr ganz so kalt ist.
Am Ende meines Aufenthaltes habe ich noch eine Woche drangehangen, bevor mein Flieger ging. Ich und Jónína haben gemeinsam den Osten Islands und die Westmänner-Inseln erkundet. Ein schöner, aber auch trauriger Absschluss. Der Abschied von meiner Gastfamilie eine Woche vorher war schon sehr schwer, wir haben einfach super zusammengepasst und sie haben es mir auch immer wieder gesagt, dass sie mich vermissen werden und mich gar nicht gehen lassen wollen. Das war echt schwer. Aber die Tour hat dann erst einmal meinen Abschiedsschmerz verdrängt. Am Ende musste ich mich dann aber noch von Jónína verabschieden, was mindestens genauso schwer war. In ihr habe ich echt eine gute Freundin gefunden, mit der ich hoffentlich noch lange in Kontakt bleiben werde. Ich hoffe ich kann so schnell wie möglich sie und meine Gastfamilie in Island wieder besuchen.
Allgemein sind Isländer exstrem gastfreundlich und offen, wenn es auch auf den ersten Blick nicht so aussieht, da sie nicht viel drumherum reden und bei Gesprächen auch gerne andere Dinge, wie lesen nebenbei machen. Aber wenn man sie einmal kennenlernt und ihre Angewohnheiten kennt, findet man schnell heraus wie nett doch alle sind . Das Schöne ist, dass die Leute, sobald man sich einmal auch nur etwas unterhalten hat, immer wieder zu einem zurück kommen und einen immer wieder erkennen.
Ich muss sagen, ich kann nur jedem empfehlen ein Jahr ins Ausland (nach Island) zu gehen. Dieses Jahr hat mir viel über mich selbst gezeigt, ich bin reifer, eigenständiger, vielleicht ein Stück selbstbewusster und definitiv offener gegenüber neuen Situationen und Leuten geworden. Ich habe gelernt, alleine zu sein und auch mal alleine etwas zu unternehmen. Auch habe ich gelernt mich auf Menschen einzulassen, die ich in Deutschland eher meiden würde, weil wir nicht viele Gemeinsamkeiten haben, aber ich fande es besser mit jemanden was zu unternehmen, den ich nicht so sympathisch fande, als alleine. Der Anfang ist schwer, neues Land, neue Kultur, neue Sprache, neue Gewohnheiten und man selber ist ganz alleine. Man braucht Zeit um sich zurecht zu finden, aber mit der Zeit wird es besser und wenn man sich drauf einlässt, hat man ein spannendes Jahr und zum Schluss weiss man gar nicht mehr, ob man überhaupt wieder zurück möchte. Ich denke immer gerne an das Jahr zurück und würde es immer wieder machen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen