Gestern
ist auf der Strecke von Reykjavík hierher ein schwerer Autounfall
gewesen und dabei ist eine 16 Jährige hier aus dem Ort gestorben.
Es ist
ein Auto mit einem LKW auf glatter Fahrbahn kollidiert und das
Mädchen ist direkt gestorben. Ein 18 Jähriger liegt jetzt noch in
Reykjavík im Krankenhaus, bei ihm ist die Lage noch kritisch.
Seit der
Nachricht ist es bei uns zu Hause etwas chaotisch, weil Sigga nur
unterwegs und ziemlich angespannt ist.
Aber
nicht nur bei uns, sondern auch überall wo man hier ist, merkt man
es. Viele Häuser haben hier einen Fahnenmast im Garten, nicht
unbedingt für Fußballflaggen, sondern eher für "ihre"
Islandflagge. Bis gestern waren die meisten Fahnenmästen noch mit
Lichterketten erleuchtet und heute hing an Vielen die Islandflagge
auf Halbmast. Es war schon komisch, überall die Flaggen zu sehen und
in der Schule waren dann Kerzen aufgebaut mit Bildern und einem
Kondolenzbuch. Irgendwie habe ich mich ziemlich merkwürdig gefühlt,
da ich da vorbei gelaufen bin und dann möchte man sich das ja schon
anschauen, aber irgendwo kenne ich sie ja überhaupt nicht. Später
hat Sigga mir dann noch einige Sachen gezeigt über sie, die sie
mitgenommen hat, um Vorbereitungen zu treffen.
Früher
habe ich immer gedacht, in solchen Situationen wenn Kinder sterben,
Kinder getauft werden oder Paare heiraten, können sich katholische
Pfarrer nicht so stark hineinversetzen. Schließlich wissen sie
nicht, wie man sich als Eltern fühlt, oder wie aufregend es ist den
Partner fürs Leben gefunden zu haben. Aber so wie ich Sigga momentan
sehe, ist es vielleicht sogar besser. Ihre Nerven sind nämlich ganz
schön überstrapaziert und so wie sie gestern mit den Kindern
gespielt hat, habe ich sie noch nie gesehen. Ich glaube, da sie
Mutter ist nimmt sie das echt mit.
Gestern
waren wir auf Flatatunga und Sigga hatte geplant, nach dem
Gottesdienst am Nachmittag nachzukommen. Als sie um sechs immer noch
nicht da war, hat Tóti bei ihr angerufen und sie hat ihm das dann
erzählt. Er hat es mir dann auch gesagt und wir haben dann noch bei
Iris zu Abend gegessen, da wir auch nicht wirklich was zu Essen zu
Hause hatten. Gegen acht sind wir dann zu Hause gewesen, weil er noch
zu den Pferden musste. Ich bin dann mit den Kids reingekommen und sie
war auch schon da. Irgendwie wusste ich auch nicht ob ich was sagen
sollte oder nicht, ich habe dann erst einmal Tee gekocht, weil mir
ganz schön kalt war und wie sie auf dem Sofa lag, konnte sie auch
einen gebrauchen. Als der Tee fertig war, bin ich ins Wohnzimmer
gegangen und sie hat so richtig mit den Kindern gespielt, sonst
spielt sie auch wohl mit ihnen, aber nicht so intensiv. Man hat schon
gemerkt, dass sie ihre Kinder in der Situation ganz nah bei sich
haben wollte.
Heute
morgen durfte man sie dann gar nicht ansprechen. Sie musste nämlich
zur Schule und der Klasse es berichten. Ich konnte ihre Anspannung
verstehen, ich möchte nicht wissen, wie es ist, so etwas 30
16jährigen Teenagern zu erklären. Zum Mittag kam sie dann nach
Hause und sie sah ganz schön mitgenommen aus, gegessen hat sie auch
nichts. Ich glaube sie ist froh, wenn die Kids gleich endlich im Bett
sind und sie ein bisschen Ruhe hat.
Beim
isländisch Kurs haben wir auch eher die Zeit abgesessen. Wir waren
nur zu fünft, haben dann eine Aufgabe bekommen mit so viel Zeit,
dass ich die sogar fertig machen konnte, obwohl ich jedes vierte Wort
nachschlagen musste. Zwanzig Minuten eher haben wir dann auch
aufgehört und die Lehrerin ist noch einmal zu mir gekommen. Sie
sagte mir dann auch, dass es nicht normal wäre, ich mich also nicht
wundern solle, aber sie weiss, dass eh kaum jemand aufpasst heute und
sie sich auch nicht konzentrieren kann. Es war nämlich eine gute
Freundin seit dem Kindergarten von ihrem Sohn.
Schon
krass, wenn hier so etwas schrekliches passiert, ist irgendwie jeder
Betroffen, weil jeder irgendwie was mit jedem zu tun hat.
Mal
abwarten, wann wieder Normalität einkehrt.
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